Liebe GenossInnen
Ich teile eure Erklärung in keinem einzigen Punkt. Ich fühle mich auch im erheblichen Maße persönlich übergangen. Und, um es kurz zu machen: Wenn diese Erklärung die Meinung der gesamten akl ist, dann bin ich ab sofort strömungslos.
Ich möchte euch dies an einigen, längst nicht allen, Punkten erläutern:
1.
Ihr billigt offenkundig nicht nur, sondern seid glühende VerfechterInnen des Verfahrens, das eine kleine Clique von selbst ernannten Parteiführern - die weder vom geschäftsführenden Vorstand, noch vom Gesamtvorstand in irgendeiner Weise legitimiert wurde - zur Lösung einer angeblichen Partei- und Führungskrise durchgezogen hat. Herr des Verfahrens war ein Genosse ohne jede Parteifunktion, man könnte auch von einem Putsch des Fraktionsvorsitzenden sprechen. Selbst wenn dies gut gemeint gewesen war, selbst wenn ihr mit dem politischen und personalen Ergebnis leben könnt - ich kann es nicht! - so hat dieses Verfahren ungleich mehr Schaden angerichtet als alles vorherige. Der Auftritt von Gregor Gysi in bester Schröder-Manier, mit Rücktrittsdrohungen, Erpressungen, Politik der vollzogenen Tatsachen bedeutet eine beispiellose Entmündigung der Mitglieder und der gewählten Führungsgremien. Es ist genau das Modell einer Partei, das die Medien haben möchten: beliebig manipulierbar, den Werten und Ritualen des bürgerlichen Politikgeschäfts verpflichtet.
2.
Es ist lächerlich, zu spekulieren, dass damit eine "Personaldebatte" verhindert wurde. Schon eure Erklärung zeigt, dass ihr selbst nicht daran glaubt. Die Personaldebatte wird durch dieses Verfahren erst ausgelöst. Das einzige, was angerichtet wurde, ist ein Szenario, wo bestimmte Parteikräfte hoffen, sie können diese Personaldebatte so besser aussitzen. Sie haben sich das aus diversen bürgerlichen Parteien, ebenso wie der SPD, bekannte und beliebte Totschlagsargument verschafft und geschärft, dass jetzt in Programm- und Führungsfragen gefälligst Ruhe zu herrschen habe, weil sonst die neuen Vorsitzenden beschädigt werden.
Es gab und gibt nicht ein einziges Argument, dass die Hektik der letzten Tage rechtfertigt, den angeblichen Zeitdruck bei der Benennung neuer Spitzenleute begründet. Im Gegenteil: Wenn euch wirklich an einer inhaltlichen und programmatischen Klärung gelegen ist, dann wäre es nützlich, wenn, überspitzt formuliert, eine ganze Reihe von Spitzenleuten genannt werden und am besten jede Woche ein neuer Vorsitzender.
3.
Die akl sollte sich für eine scharfe programmatische Debatte wappnen. Es liegt in der Natur der Sache, dass programmatische Parteidebatten in letzter Konsequenz auch den Kampf um die Führung bedeuten. Ihr habt euch von diesem Kampf heute verabschiedet und ich sage voraus, dass dies schwerwiegende Folgen auch in inhaltlichen Fragen haben wird. Auch wenn ihr es tapfer wollt, ihr werdet in dieser Konstellation auch vielen inhaltlichen Dingen nicht mehr zustimmen können. Die Linke in der LINKEN wird, sollte sie die Haltung aus eurer Erklärung übernehmen, wie es die Rechten in der SPD und den Grünen über ihre Linken immer so hämisch zusammenfassen: unbegrenzt belastbar.
4.
Der jetzt von euch bejubelte Vorschlag ist vor allem anderen eine komplette Machtübernahme der Bundestagsfraktion über die Partei. Ich halte auch dies für sehr schädlich. Wir sollten auch auf der Ebene des geschäftsführenden Vorstandes die Trennung von Amt und Mandat mindestens in der von der Satzung für den Gesamtvorstand vorgesehenen Größenordnung einhalten, besser wäre, sie noch auszubauen.
Ich mache hier keine Kritik an Einzelnamen aus dem Vorschlag, weil das fast sekundär ist, aber ich teile in dieser Frage immerhin euren Halbsatz, dass der Vorschlag nicht ausgewogen ist.
Der Vorschlag ist der zweite, nach der Bildung der Fraktionsführung, offene Schlag gegen den Landesverband NRW. Wie ihr auf dieser Basis meinen könnt, er würde dem Landtagswahlkampf in NRW nützen, ist mir wirklich schleierhaft.
Der Vorschlag führt drittens in einem Tempo alte sozialdemokratische Praktiken ein, dass es einem den Atem verschlägt. Da werden kurzerhand neue Posten geschaffen (stellvertretender Fraktionsvorsitz, zweiter Geschäftsführer, Sonderrolle des Westbeauftragten, um gar nicht die perfiden "Absicherungsversprechen" an die scheidende zweite Kassiererin zu nennen) und damit schamlos Parteigeld verpulvert.
5.
Eine persönliche Angelegenheit muss ich leider doch nennen, weil sie ein Skandal ist. Die neue Funktion von Sahra wird gekoppelt an die Zusage, sie solle ihr Engagement bei der KPF einstellen. Wer so etwas akzeptiert, wünscht geradezu den Kampf im Verborgenen. In keinem anderen Fall - weder bei dem scheidenden Bundesgeschäftsführer, beim bisherigen Wahlkampfleiter noch bei der neuen Bundesgeschäftsführerin wurden und werden ähnliche Forderungen erhoben. Ihr begrüßt einen "Kompromiss", der von euch den gesenkten Kopf verlangt. Ihn abzuschlagen wird dann nicht mehr schwer sein und weder mit gesenktem noch ohne Kopf wird es in der Programmdebatte gut ausgehen.
6.
Ihr macht diese Erklärung als akl-Koordination. Fünf von euch waren auf dem letzten Treffen in Hannover anwesend und sollten noch erinnern, wie mühsam und quasi nur als Provisorium euer Mandat bekräftigt wurde. Dafür hängt ihr euch jetzt mächtig aus dem Fenster. Ob ihr damit der akl einen Gefallen getan habt, bezweifle ich sehr.
Die fünf werden sich auch an die Debattenbeiträge der mit vier GenossInnen erfreulich gut vertretenen akl'ler aus Bayern erinnern. Sie haben ein paar Wahrheiten aus ihrem Landesverband berichtet. Ob ihr wohl diesen GenossInnen mit eurer fast überschwänglichen Parteinahme für den neuen Vorsitzenden aus der Seele gesprochen habt?
Ich glaube eher, dass ihr mit dieser Erklärung die akl in eine ganz schwierige und vielleicht zerstörende Situation gebracht habt.
7.
Papier bleibt Papier und unüberlegte Äußerungen überfluten auch unsere Partei. Ich möchte euch deshalb bitten, eure Erklärung ganz schnell zu vergessen. Es ist kein Rückzug nötig, kein scholastischer Streit um Worte. Aber ihr solltet sie vergessen - in eurem eigenen Interesse.
Ich möchte euch zusätzlich bitten - weil meine mailbox überquillt von Anfragen, ob ich denn auch... - diese Stellungnahme von mir auf die akl-Seite zu setzen.
herzliche Grüße
Thies
Thies Gleiss - Stellungnahme zur Erklärung der akl-Koordination vom 28.01.2010
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- Geschrieben von Dieter Braeg