Laut Medienberichten wurde kürzlich in Kaliningrad, dem früheren Königstein, der Grundstein für das „Baltische Atomkraftwerk“ gelegt. Kaliningrad, das frühere deutsche Königsberg, ist Hauptstadt der westlichsten russischen Provinz gleichen Namens. Im Gebiet lebt knapp eine Million Menschen. Die meisten sind Russen. Nach dem Zweiten Weltkrieg hatte der sowjetische Staats- und Parteichef Josef Stalin 1945 im Potsdamer Abkommen durchgesetzt, dass Königsberg und insgesamt 15.100 Quadratkilometer des nördlichen Ostpreußens zur Sowjetunion kommen. Etwa 600 Kilometer von Berlin entfernt, war Königsberg bis 1945 die östlichste deutsche Großstadt. Deren bekanntester Sohn ist der Philosoph Immanuel Kant.
Es ist kein Geheimnis - dieser Tage wurde in Kaliningrad (Königsberg) der Grundstein für das „Baltische Atomkraftwerk“ gelegt, nachdem Russlands Regierungschef Wladimir Putin die Genehmigung für den Bau des Meilers unterzeichnet hatte. Das Kraftwerk wird 4,5 Milliarden Euro kosten. Es soll mit zwei modifizierten Druckwasserreaktoren vom Typ WWER ausgestattet werden und eine Gesamtleistung von 2300 Megawatt haben .Das 4,5 Milliarden teure Kraftwerk wird zu 51 Prozent der russischen Atomenergieagentur „Rosatom“ gehören. Wer über die restlichen 49 Prozent verfügen wird, darüber wird derzeit noch spekuliert.
Um Näheres über die Atompolitik in dem Gebiet Kaliningrad zu erfahren, sprach Bernhard Clasen mit dem russischen Anti-Atom-Aktivisten Vladimir Slivjak. Slivjak, der aus Kaliningrad stammt, in Kaliningrad und Moskau lebt, ist Co-Vorsitzender der Umweltschutzorganisation „Ecodefense“. Vom 19. – 21. März wird er an der Frühjahrskonferenz der Anti-AKW-Bewegung im münsterländischen Ahaus teilnehmen.
FRAGE: Medienberichten zufolge hat der Bau eines Atomkraftwerkes im Gebiet Kaliningrad begonnen. Treffen diese Berichte zu?
SLIVJAK: Nun, kürzlich wurde in einem symbolischen Akt der Grundstein gelegt. Mit dem eigentlichen Baubeginn ist im Juli zu rechnen.
FRAGE: Deine Organisation „Ecodefense“ kritisiert, dass sich das geplante Atomkraftwerk direkt in einem Korridor internationaler Flugbewegungen finde. Ist das so zutreffend?
SLIVJAK: Ja, wir verfügen über eine Karte, die wir von der regionalen Regierung erhalten haben. Auf dieser Karte ist sehr gut erkennbar, dass sich das geplante Atomkraftwerk tatsächlich im Flugkorridor befindet.
FRAGE: Arbeiten bei diesem „Baltischen Atomkraftwerk“ in Kaliningrad russische und deutsche Firmen zusammen?
SLIVJAK: Offiziell gibt es dazu keine Informationen. Allerdings hat „Rosatom“ vor ein paar Tagen deutlich gemacht, dass man ausländische Investoren suche, und dass man an erster Stelle in Deutschland nach Investoren suche.
Unseren Informationen zufolge ist bereits ein Antrag für eine Hermes-Bürgschaft auf den Weg gebracht worden. Sollte wirklich mit einer Hermes-Bürgschaft bei diesem AKW gearbeitet werden, hieße das, dass der deutsche Steuerzahler mit dabei ist, wenn bei uns ein Atomkraftwerk gebaut wird. Ich persönlich vermute, dass hier die Firma Siemens dahintersteckt.
FRAGE: Die politische Lage in Kaliningrad ist derzeit sehr unruhig. In der jüngsten Vergangenheit gab es mehrere größere Protestdemonstrationen.
SLIVJAK: Was in der Region Kaliningrad abläuft, ist im Moment wirklich schwer abschätzbar. Wir hatten kürzlich mehrere Protestdemonstrationen in der Region, an der sich mehrere Tausend Menschen beteiligt hatten. An einer dieser Demonstrationen waren gar über 10 Tausend Menschen. Die Regierung ist darüber sehr beunruhigt, tut alles, um die Opposition klein zu halten, provoziert diese.
Ich schätze, dass der Gouverneur von Kaliningrad vor diesem Hintergrund wohl im Herbst gehen muss.
Insgesamt ist es sehr schwer, eine Prognose über die politische Entwicklung in Kaliningrad abzugeben. Und ich kann auch nicht sagen, wie sich die politische Situation auf den Betrieb dieses Atomkraftwerkes auswirken wird. Dieses wird ja erst in sechs Jahren in Betrieb genommen.
FRAGE: Deutsche und russische Atomwirtschaft arbeiten gut zusammen. Wie sieht es aber mit der Zusammenarbeit von deutscher und russischer Anti-AKW-Bewegung aus?
SLIVJAK: Die Zusammenarbeit zwischen deutschen und russischen Anti-AKW-Gruppen ist gut, doch sie müsste noch weiter ausgebaut werden. Wir russischen Umweltschützer müssen bei euch vieles lernen, und ihr müsst bei uns vieles sehen, erfahren und lernen. Gemeinsam sind wir erfolgreich. Das hat auch die Atomwirtschaft erkannt. Auch sie arbeitet international zusammen, man unterstützt sich finanziell und technisch. Und vor diesem Hintergrund müssen auch wir Umweltschützer unsere Zusammenarbeit ausbauen.
FRAGE: Du bist schon lange einer der aktivsten Atomkraftgegner Russlands? Wie kamst Du dazu?
SLIVJAK: Ja, ich habe mich schon zu Zeiten der Sowjetunion, in der 80er Jahren, in verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen engagiert. Und ich bin damals zu der Auffassung gekommen, dass die Atomenergie das größte Problem ist, welches uns bedroht. Angefangen, gegen die Atomenergie zu kämpfen, habe ich kurz nach Tschernobyl.
Wenn wir über unsere Zukunft sprechen, so schafft die Atomenergie die größten Probleme. Jede Regierung, die auf Atomenergie setzt, handelt verantwortungslos.
Die Atomenergie ist sehr ungerecht, verletzt die Menschenrechte. In Russland beispielsweise sind die Anwohner nie befragt worden, wenn man auf einmal in ihrer Nachbarschaft ein Atomkraftwerk gebaut hat. Wichtig ist, dass wir wirklich ein klares NEIN sagen zur Atomenergie.
Russland baut AKW an Ostsee
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- Geschrieben von Bernhard Clasen