Sozialhilfeempfänger sollen in Österreich ab September Mindestsicherung erhalten. Die Diskussion zieht sich in Österreich schon über mehrere Jahre. Das Jahr 2010 ist ja von der EU zumSylvia Wörgetter
„Jahr der Armutsbekämpfung“ erklärt. Nun soll die Mindestsicherung am 1. September einführen werden.
Die Soziallandesräte haben Mitte Januar, wenn es nicht wieder von irgendwoher Querschüsse gibt, endgültig grünes Licht gegeben, der entsprechende Bund-Länder-Vertrag wird aufgesetzt, die Beschlussfassung im österreichischen Ministerrat soll im März, jene im Nationalrat (österr. Bundestag) vor dem Sommer erfolgen.
Viele unterschiedliche Unterstellungen und Einschätzungen haben die Debatte um die Mindestsicherung begleitet.
Die schon bekannten „Bedenkenträger“ befürchteten, sie werde zur sozialen Hängematte, die anderen sahen darin eine effektive Waffe gegen die Armut. Davon ist das, was da allerdings ausverhandelt wurde, weit entfernt.
Martin Schnek, Sprecher der Armutskonferenz meint: „Nichts von beidem wird eintreten“, Die neue Mindestsicherung ist im Wesentlichen die alte Sozialhilfe.“
Die neue Mindestsicherung soll Vorteile bringen, hat aber auch einige Nachteile. Die Mindestsicherung führt zu einer Vereinheitlichung der Sozialhilfe in Österreich, was einhellig von den etablierten politischen Kräften positiv bewertet wurde. Nicht nur hier zeigt sich, dass es in Österreich keine starke linke Kraft gibt, die sich gegen eine scheinheilige Sozialpflasterpartnerschaft zur Wehr setzt.
Die Mindestsicherung beträgt künftig in allen neun österreichischen Bundesländern 744 Euro monatlich für Alleinstehende, 1108 Euro für Paare und pro Kind werden 134 Euro bezahlt Das soll den Lebensunterhalt abdecken, also auch die Kosten für Wohnen, Kleidung und Nahrung.
Da beginnen aber schon die Probleme. In Städten wie Salzburg oder Innsbruck reicht dies jedoch nicht, weil allein die Mieten schon einen guten Teil der Mindestsicherung auffressen. Aus diesem Grund gibt es eine „Verschlechterungsklausel.“
Viele Sozialhilfeempfänger erhalten zur Zeit in Österreich noch Mietkostenzuschüsse oder finanzielle Hilfe in bestimmten Lebenslagen – etwa, wenn das Geld nicht reicht, um beim Schuleintritt der Kinder Schulhefte und Lernmittel zu kaufen. Wer durch diese Zahlungen über einem Bezug von 744 Euro liegt, darf auch nach Einführung der Mindestsicherung nicht weniger zur Verfügung haben. Die österreichischen Bundeslländer müssen dann die Differenz dazuzahlen.
Sozialhilfebezieher sind keine Bittsteller mehr.. Erstens haben sie erstmals einen klaren Rechtsanspruch auf die Leistungen aus der Mindestsicherung. Zum anderen erhalten auch sie eine E-Card (die E-Card ist eine Versicherungskarte der österr. Krankenkassen).
Martin Schenk von der Armutskonferenz und Caritas-Präsident Franz Küberl finden beide, dass dies eindeutige Verbesserungen für die Betroffenen bedeuten würden. Bisher mussten Sozialhilfeempfänger eine demütigende Prozedur in Kauf nehmen, wenn sie krank waren. Sie mussten um einen eigenen Krankenschein ansuchen, dessen Farbe sie klar als „Arme“ erkennbar machte.
Der Salzburger Sozialrechtsexperte Walter Pfeil sieht einen eindeutigen Fortschritt in den gelockerten Regressbestimmungen. Bisher konnten die Bundesländer sich bei den Angehörigen von Sozialhilfebeziehern gezahlte Hilfeleistungen zurückfordern. Auch von den Betroffenen selbst konnte das Geld für die Sozialhilfe wieder kassiert werden, wenn diese wieder über ein Arbeitseinkommen verfügten. Das fällt mit der Mindestsicherung nun weg.
Walter Pfeil: „Wozu soll jemand arbeiten gehen, wenn er danach wieder zurückzahlen muss?“ Enttäuschung herrscht bei den Sozialexperten über die Höhe der Mindestsicherung. Sie ist zwar ebenso hoch wie die Mindestpension, wird aber im Unterschied zu dieser nicht 14 Mal, sondern nur zwölf Mal im Jahr ausbezahlt. „Das verstehe ich deshalb nicht“, sagt Küberl von der Caritas, „weil es sich dabei um Menschen handelt, die ohnedies von der Hand in den Mund leben.“ Als vertane Chance werten Küberl, Schenk und Pfeil auch, dass es entgegen den ursprünglichen Absichten keine alleinige Anlaufstelle für die Mindestsicherung geben wird. Zwar können die Anträge auf Mindestsicherung beim Arbeitsmarktservice gestellt werden. Was bewirkt, dass Sozialhilfeempfänger damit auch Zugang zu Leistungen des AMS (Arbeitsmarktservice)wie Schulungen haben. Was gerade für Langzeitarbeitslose wichtig ist. Außerdem ist Arbeitswilligkeit eine der Voraussetzungen für den Erhalt der Mindestsicherung. Doch das AMS schickt die Formulare erst recht wieder weiter an die Sozialhilfestellen. Was weiterhin bürokratische und rechtliche Probleme und zersplitterte Zuständigkeiten garantiert.
Für die steirische KPÖ-Landtagsabgeordnete. und Sozialsprecherin Claudia Klimt-Weithaler ist die Mindestsicherung, die angeblich mit 1.9.2010 in Kraft treten soll, kein großer sozialpolitischer Wurf. Durch die Regelung, dass die Mindestsicherung statt 14- nur 12 Mal im Jahr ausbezahlt wird, kann es für viele Betroffene in Zukunft sogar zu einer Schlechterstellung kommen und stellt in den Augen von Klimt-Weithaler eine „Einsparungsmaßnahme auf Kosten der Ärmsten“ dar. Die KPÖ hofft, dass die SPÖ Wort hält und in der Steiermark den Betrag 14 Mal ausbezahlen wird. Positiv bewertet wird von der steirischen KPÖ die Krankenversicherung.
Klimt-Weithaler: „Ein wesentlicher Unterschied zum derzeitigen System der Sozialhilfe ist nicht erkennbar, von einem großen Wurf kann man dabei nicht sprechen. Es ist zu hoffen, dass mit den ‚arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen‘ nicht die Schaffung eines zusätzlichen Billiglohnsektors gemeint ist, wie er von Rot-Grün in Deutschland etabliert wurde. Wir brauchen das Gegenteil, nämlich Löhne, die zum Leben reichen“, betont die KPÖ-Abgeordnete die sozialpolitische Bedeutung der Einführung eines Mindestlohns.“
Die Mindestsicherung in Österreich ist sicherlich eine bessere Lösung als Hartz IV, aber sie überwindet in keinem Fall Armut, die auch in Österreich immer mehr zu einem Problem wird..
Mindestsicherung in Österreich
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- Geschrieben von Dieter Braeg