Mai - Vom Kampftag zum Fetentag?
Helfen wir den Kapitalisten – schaffen wir sie ab!
Die Geschichte des 1. Mais als Arbeiterinnen- und Arbeiterkampftag begann mit der weltweiten Industrialisierung. Schon in den 30er Jahren des vorletzten Jahrhunderts kam es zu Diskussionen darum, an einem Tag kollektiv die Arbeit niederzulegen. Der Gedanke einen proletarischen Feiertag als Mittel zur Erlangung des achtstündigen Arbeitstages einzuführen, entstand zum ersten Mal in Australien. Dort beschlossen die Arbeiter im Jahre 1856 einen Tag der völligen Arbeitsruhe durchzusetzen.
Zunächst dachten die australischen Arbeiter an eine einmalige Manifestation. Da diese erste Maifeier einen so starken Eindruck auf die proletarischen Massen Australiens ausübte, entschloss man sich, diese Feier jedes Jahr zu wiederholen. Nicht lange danach und der Gedanke eines proletarischen Feiertags breitete sich von Australien weiter aus.
1884 forderten die "Föderierten Gewerkschaften und Arbeitervereine der USA und Kanadas", daß ab dem 1. Mai 1886 der legale Arbeitstag nicht mehr als 8 Stunden zu betragen hätte. Als dieser Tag dann kam, traten in den USA 340.000 Arbeiterinnen und Arbeiter in den Streik, allein in Chicago waren es 40.000. Wenige Tage später fand hier das bekannt geworden Massaker vom Haymarket statt, bei dem durch einen von Provokateuren angezettelten Bombenanschlag ein Polizist um das Leben kam und in einer folgenden Schießerei 6 Polizisten und 7 oder 8 Arbeiterinnen und Arbeiter den Tod fanden und dazu zwischen 30 und 40 Menschen verletzt wurden.
In einem anschließenden Schauprozeß wurden sieben Anarchisten zum Tode verurteilt, in der klassischen Manier, wie es z.B. auch bei den mittlerweile rehabilitierten Sacco und Vanzetti geschah oder aktuell in den Fällen Mumia Abu Jamals oder Leonard Peltiers.
Am 14. Juli 1889 wurde auf Vorschlag der amerikanischen Delegation in Erinnerung an die Märtyrer von Chicago auf dem „Internationalen Arbeiter-Congress“ der mit 400 Delegierten aus 20 Ländern in Paris tagte, der 1. Mai zum internationalen Feier- und Kampftag der Arbeiterklasse erklärt.
Dieser Kongress an dem auch 81 deutsche Delegierte teilnahmen, unter ihnen die sozialdemkoratischen Parteiführer August Bebel und Wilhelm Liebknecht, dazu der Gewerkschafter Carl Legien und Martin Segitz als Vertrauensmann der deutschen Metallarbeiter, beschloss unter anderem einstimmig:
Eine wirksame Arbeitersschutzgesetzgebung ist in allen Ländern, welche von der apitalistischen Produktionsweise beherrscht werden, absolut notwendig.
Als Grundlage für diese Gesetzgebung fordert der Kongress:
a) Festsetzung eines höchstens 8 Stunden betragenden Arbeitstages für jugendliche Arbeiter;
b) Verbot der Arbeit der Kinder unter 14 Jahren und Herabsetzung des Arbeitstages auf 6 Stunden für beide Geschlechter;
c) Verbot der Nachtarbeit, außer für bestimmte Industriezweige, deren Natur einen ununterbrochenen Betrieb erfordert;
d) Verbot der Frauenarbeit in allen Industriezweigen, deren Betriebsweise besonders schädlich auf den Organismus der Frauen einwirkt;
e) Verbot der Nachtarbeit für Frauen und jugendliche Arbeiter unter 18 Jahren;
f) ununterbrochene Ruhepause von wenigstens 36 Stunden, die Woche für alle Arbeiter;
g) Verbot derjenigen Industriezweige und Betriebsweisen, deren Gesundheitsschädlichkeit für die Arbeiter vorauszusehen ist;
h) Verbot des Trucksystems (Warenentlohnung);
i) Verbot der Lohnzahlung in Lebensmitteln, sowie der Unternehmer-Kramladen;
k) Verbot der Zwischenunternehmer (Schwitzsystem)
l) Verbot der privaten Arbeits-Nachweise-Büros;
m) Überwachung aller Werkstätten und industriellen Etablissements mit Einschluss der Hausindustrie, durch vom Staat besoldete und mindestens zur Hälfte von den Arbeitern gewählte Fabrikinspektoren.
Der Kongress erklärt, dass alle diese zur Gesetzgebung der sozialen Verhältnisse notwendigen Maßregeln zum Gegenstand internationaler Gesetze und Verträge zu machen sind, und fordert die Proletarier Aller Länder auf, in diesem Sinne auf ihre Regierungen einzuwirken“
Sind diese Forderungen, heute, 120 Jahre nach diesem Kongress, weltweit durchgesetzt?
Das Ziel, der Achtstundentag, sollte - so die deutschen Sozialdemokraten - jedoch nicht durch einen Generalstreik, sondern durch Verhandlungen erreicht werden. Gerade die deutsche Sozialdemokratie lehnte einen Generalstreik vehement ab. Die Resolution der SPD zum 1. Mai vor 120 Jahren, wurde jedoch mißverständlicherweise als Aufruf zum Streik aufgefasst. Dass die SPD-Funktionäre diesem entgegentraten, wurde ihnen vonder eigenen Parteibasis und von den Gewerkschaften allenthalben übel genommen. Während nun am 1. Mai die kämpferischen Gewerkschaften und die sozialdemokratische Opposition der "Jungen" für den Generalstreik am 1. Mai eintraten, sammelte die SPD relativ erfolglos Unterschriften.
Die Drückebergerei der Sozialdemokraten ging noch weiter: Als 1891 von der 2. Internationale beschlossen wurde, am 1. Mai die Arbeit niederzulegen, verlegte die SPD den Aktionstag in Deutschland auf den 1ersten Sonntag im Monat Mai. Mit immer wieder neuen Ausreden versuchte die SPD in den folgenden Jahren, Arbeitsniederlegungen am 1. Mai zu verhindern: Die ökonomische Lage spräche dagegen, oder die "gegenwärtige Arbeitslage"!
Das kennt man doch, das klingt doch auch heute nicht anders!
Da fragt man sich, hat sich bei der Sozialdemokratie, nach all den Jahren, etwas geändert?
Aus dem „ Der Wahren Jakob“ eine Satirezeitschrift im Jahre 1905:
„Kindermann, was wollen eigentlich, äh, diese Arbeiter?“
„Verzeihen Durchlaucht, sie wollen den Achtstundentag.“
„Ganz unglaublich Kindermann, wie dumm dieses Volk ist. Sagen Sie ihm doch, äh, dass Achtstundentag unmöglich! Einfach unmöglich! Tag wird immer, äh, vierundzwanzig Stunden haben!“
Dennoch fanden jedes Jahr Arbeitskämpfe statt. Die Streikenden hätten allerdings der finanziellen und organisatorischen Unterstützung der Gewerkschaften bedurft, aber die waren, damals wie heute, mehr für Sozialpartnerschaft. Daher lehnten auch diese 1914 offiziell den Generalstreik ab, um den 1. Weltkrieg zu verhindern. Ausnahme waren die lokalistischen und syndikalistischen Organisationen.
Es ist 80 Jahre her.
1. und 2. Mai 1933.
Die Arbeiterbewegung hatte zwar die Gefahr des Faschismus erkannt, aber ein großer Teil der Arbeiterschaft und Funktionäre hatten die wirklichen Ausmaße des braunen Terrors falsch eingeschätzt. Viele gaben sich der der trügerischen Hoffnung hin, die NSDAP würde ohnehin bald abgewirtschaftet haben. Diese Fehleinschätzung verführte nicht wenige Gewerkschafter in den ersten Wochen der „Machtübernahme“ zu einer Taktik der Anpassung, mit der sie glaubten den Fortbestand der Organisation retten zu können. Der Bundesvorstand des ADGB (Allgemeiner Deutscher Gewerkschaftsbund) erließ einen Aufruf, der bei vielen Arbeitern mit Unverständnis und Empörung aufgenommen wurde.
Wo konsequente Gegnerschaft und Kampf gegen die Faschistischen Machthaber nötig gewesen wäre, vermied der Gewerkschaftsapparat jede grundsätzliche Auseinandersetzung.
Diese Anpassungshaltung wurde nicht honoriert.
Aus dem Maiaufruf des ADGB-Vorstands vom 15.4.1933
"[...] Wir begrüßen es, dass die Reichsregierung diesen unseren Tag zum gesetzlichen Feiertag der nationalen Arbeit, zum deutschen Volksfeiertag erklärt hat. An diesem Tage soll nach der amtlichen Ankündigung der deutsche Arbeiter im Mittelpunkt der Feier stehen. Der deutsche Arbeiter soll am l. Mai standesbewusst demonstrieren, soll ein vollberechtigtes Mitglied der deutschen Volksgemeinschaft werden. Das deutsche Volk soll an diesem Tage seine unbedingte Solidarität mit der Arbeiterschaft bekunden.“
Am 1. Mai marschierten ADGB - Gewerkschaftsfunktionäre – wie der Vorsitzende des Textilarbeiterverbandes, Karl Schrader – Belegschaften, Kapitaleigner und NSDAP unter der Hakenkreuzfahne gemeinsam auf den Straßen. Die nicht zustande gekommene Arbeiter-Einheitsfront von ADGB–SPD–KPD gegen den Faschismus, wurde durch die "Einheitsfront" ADGB–Kapital–NSDAP ersetzt. Wie der 1. Mai 1933 ablief, zeigt ein Bericht von Fritz Reuter aus Duisburg-Hamborn:
"Der Maizug der Nazis war ziemlich groß. Allerdings glich der Zug mehr einer Jahrmarktsveranstaltung als einer Demonstration. Leblos, ohne Bewegung und Begeisterung marschierte der Zug. Gedrückter Stimmung die Arbeiter, die bei Androhung der Entlassung mitmarschieren mussten. Die Kleinbürger im Zuge tranken hier und da Schnaps aus der Flasche!"
Am 2. Mai 1933 stürmten die Nationalsozialisten die Gewerkschaftshäuser, beschlagnahmten das Vermögen und schalteten die Gewerkschaftspresse aus. Es half den Führern der Gewerkschaften nicht, trotz Anpassung wurden viele in Konzentrationslagern inhaftiert oder gingen ins Exil.
Als die Nationalsozialisten nach 1933 die Arbeiterinnen und Arbeiterbewegung weitestgehend zerschlugen, machten sie aus dem vormaligen internationalen Arbeiterinnen und Arbeiterkampftag den nationalen "Tag der Arbeit". Es verwundert dass er als solcher noch heute in jedem Kalender steht und Neofaschisten sich auf diese rein deutsche autoritäre "Tradition" beziehen.
Nach Ende des zweiten Weltkriegs musste nach dem Sieg über den Faschismus der 1. Mai als Kampftag neu erobert werden. Aus den Erfahrungen der vergangenen Jahrzehnte hatten zahlreiche Gewerkschafter die Erkenntnis gewonnen, dass nur eine Einheitsgewerkschaft nach dem Industrieverbandprinzip die frühere Zersplitterung überwinden könne um für eine Veränderung der Gesellschaft zu kämpfen.
Aus dem 1. Mai Aufruf des DGB Kreisausschuss Düren-Jülich:
„Wir fordern die Überführung der Schlüsselindustrien in die Hände des Volkes, Mitbestimmungsrecht für Gewerkschaften und Betriebsräte, Neuordnung der Sozialgesetzgebung und des Arbeits- und Tarifrechts, Kontrolle der gesamten Erzeugung und Verteilung, Kontrolle der betriebe und Unternehmen, Überführung der gesamten Erzeugung in den legalen Handel, eine wirkliche Wohnungsfürsorge, besonders in unserem zerstörten Gebiete, eine allgemeine bessere Zuteilung von lebensmittel u. Gebrauchs- und Verbrauchsgüter, Jugend- und Frauenschutz sowie gleichen Lohn für gleiche Leistung. Wir fordern gleiches recht für alle, wir fordern unser Recht als Wirtschaftsbürger.“
SPD und reformistische Gewerkschaften haben nie dazu beigetragen, aus dem 1. Mai, der ein Kampftag der arbeitenden Basis sein müßte, einen wirklichen Kampftag der abhängig Beschäftigten zu machen, und das sich der DGB heute diesen Tag auf die Fahnen schreibt, ist der blanke Hohn.
Es ist allerdings auch konsequent, wenn wir uns die Schwäche des jetzigen 1. Mai anschauen: Ein offizieller Feiertag, der vom DGB für müde Kundgebungen genutzt wird und an dem Familien spazieren gehen und Jugendliche sich besaufen.
Konsequent war es, daß historisch an einem nicht offiziellen Feiertag die Arbeit niedergelegt wurde, oder in Zeiten ohne oder mit wenig Urlaub eine arbeitsfreie Woche oder gar ein Monat ohne Arbeit gefordert wurde.
Dies ist ein Punkt, an dem wir einhaken können. Ebenso müssen wir als gewerkschaftlich orientierte Linke den 1. Mai wieder zu dem machen, was er einmal war, zum
Internationalen Kampftag der Arbeiterinnen- und Arbeiterbewegung.
Um dem 1. Mai seine Aussagekraft zurückzugeben, ist es auch nötig, sich nicht auf den ökonomischen Kampf zu beschränken. Der 1. Mai muß ein Tag der internationalen Solidarität sein, ein Tag nicht nur gegen den Kapitalismus, sondern auch gegen den alltäglichen Rassismus, den wieder aufkeimenden Militarismus, gegen das Patriarchat, für Verbot der Bespitzelung und Datenüberwachung für den ökonomischen und politischen Generalstreik und für die internationale Solidarität.