Frauen und Männer an den Maschinen in Werkstätten. Wenn sie euch befehlen Rüstungsgüter zu produzieren, dann gibt es nur eins:
Sagt NEIN!
Menschen wo immer ihr eure Arbeitskraft verkauft, wenn sie euch morgen befehlen ihr sollt Waffen produzieren, dann gibt es nur eins:
Sagt NEIN!
Kapitalistinnen und Kapitalisten, wenn sie euch  befehlen, ihr sollt statt  Lebensmitteln, Waffen samt Zubehör verkaufen,  dann gibt es nur eins:
Sagt NEIN!
Forscherin Forscher in allen Instituten dieser Welt. Wenn sie Euch morgen befehlen, ihr sollt noch  brutalere Mordwaffen  um Leben zu zerstören, dann gibt es nur eins:
Sagt NEIN!


Dichterinnen Dichter, MeinungsmacherinnenMeinungsmacher, wenn Sie euch zwingen statt Frieden
den Krieg zu begründen, wenn die euch befehlen Hass und Totschlagtexte zu verkünden, dann gibt es
nur eins:
Sagt NEIN!
Ihr, die ihr die Kranken gesund macht, verweigert es Menschen kriegstauglich zu  schreiben:
Sagt NEIN!
VerkünderinnenVerkünder aller Religionen. Wenn sie euch morgen befehlen, ihr sollt den Mord
segnen und den Krieg heilig sprechen, dann gibt es nur eins:
Sagt NEIN!

Ihr, die ihr für Logistik verantwortlich seid.  Wenn sie euch  befehlen, ihr sollt keine Lebensmittel
mehr fahren - sondern Kanonen und Panzer, dann gibt es nur eins:
Sagt NEIN!
Pilotinnen und Piloten auf dem Flugfeld. Wenn sie euch   befehlen, ihr sollst Bomben und Phosphor
über die Städte tragen, dann gibt es nur eins:
Sagt NEIN!
Politikerinnen und Politiker beschließt keinen Krieg und Gelder oder Kredite für Mordwaffen, mit
denen Soldatinnen und Soldaten zu Mördern werden: Seid für Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit
zu allem anderen:
Sag NEIN!
ihr Frauen und Männer die in den Gerichten Recht sprechen.  Wenn sie euch morgen befehlen, ihr sollst zum Kriegsgericht gehen, dann gibt es nur eins:
Sagt NEIN!
Arbeitende bei der Bahn. Wenn sie euch morgen befehlen, ihr sollt das Signal zur Abfahrt geben für den Munitionszug und für den Truppentransporte, dann gibt es nur eins:
Sagt NEIN!
Ihr Menschen auf dem Dorf und  in der Stadt. Wenn sie morgen kommen und euch den Gestellungsbefehl bringen, dann gibt es nur eins:
Sagt NEIN!
Du. Mutter in der Normandie und Mutter in der Ukraine und Moskau, du, Mutter in Frisko und London, du am Hoangho und am Missisippi, du, Mutter in Neapel und Hamburg und Kairo und Oslo - Mütter in allen Erdteilen, Mütter in der Welt, wenn sie morgen befehlen, ihr sollt Kinder gebären, Krankenschwestern für Kriegslazarette und neue Mörder für neue Schlachten, Mütter in der Welt, dann gibt es nur eins:
Sagt NEIN! Mütter, sagt NEIN!

Denn wenn ihr nicht NEIN sagt, wenn WIR alle  nicht nein sagen, dann:
In den lärmenden dampfdunstigen Hafenstädten werden die großen Schiffe stöhnend verstummen und wie titanische Mammutkadaver wasserleichig träge gegen die toten vereinsamten Kaimauern schwanken, algen-, tang- und muschelüberwest, den früher so schimmernden dröhnenden Leib, friedhöflich fischfaulig duftend, mürbe, siech, gestorben -
die Straßenbahnen werden wie sinnlose glanzlose glasäugige Käfige blöde verbeult und abgeblättert neben den verwirrten Stahlskeletten der Drähte und Gleise liegen, hinter morschen dachdurchlöcherten Schuppen, in verlorenen kraterzerrissenen Straßen -
eine schlammgraue dickbreiige bleierne Stille wird sich heranwälzen, gefräßig, wachsend, wird anwachsen in den Schulen und Universitäten und Schauspielhäusern, auf Sport- und Kinderspielplätzen, grausig und gierig unaufhaltsam -
der sonnige saftige Wein wird an den verfallenen Hängen verfaulen, der Reis wird in der verdorrten Erde vertrocknen, die Kartoffel wird auf den brachliegenden Äckern erfrieren und die Kühe werden ihre totsteifen Beine wie umgekippte Melkschemel in den Himmel strecken -
in den Instituten werden die genialen Erfindungen der großen Ärzte sauer werden, verrotten, pilzig verschimmeln -
in den Küchen, Kammern und Kellern, in den Kühlhäusern und Speichern werden die letzten Säcke Mehl, die letzten Gläser Erdbeeren, Kürbis und Kirschsaft verkommen - das Brot unter den umgestürzten Tischen und auf zersplitterten Tellern wird grün werden und die ausgelaufene Butter wird stinken wie Schmierseife, das Korn auf den Feldern wird neben verrosteten Pflügen hingesunken sein wie ein erschlagenes Heer und die qualmenden Ziegelschornsteine, die Essen und die Schlote der stampfenden Fabriken werden, vom ewigen Gras zugedeckt, zerbröckeln - zerbröckeln - zerbröckeln -
dann wird der letzte Mensch, mit zerfetzten Gedärmen und verpesteter Lunge, antwortlos und einsam unter der giftig glühenden Sonne und unter wankenden Gestirnen umherirren, einsam zwischen den unübersehbaren Massengräbern und den kalten Götzen der gigantischen betonklotzigen verödeten Städte, der letzte Mensch, dürr, wahnsinnig, lästernd, klagend - und seine furchtbare Klage: WARUM? wird ungehört in der Steppe verrinnen, durch die geborstenen Ruinen wehen, versickern im Schutt der Kirchen, gegen Hochbunker klatschen, in Blutlachen fallen, ungehört, antwortlos, letzter Tierschrei des letzten Tieres Mensch -
all dieses wird eintreffen, morgen, morgen vielleicht, vielleicht heute Nacht wenn -- wenn ihr nicht NEIN sagt.
       
Dieses Gedicht, verdrängt und vergessen wie sein Dichter
Wolfgang Borchert, habe ich ein wenig im ersten Teil der
heutigen Wirklichkeit angepasst. Im Dschungel der
vergifteten Medienküche sollte es mahnen. Dort wo Krieg
ist, wird kein Mensch überleben. Egal ob er
rotschwarzgrünodergelb ist.
      
Dieter Braeg