Auch in Thüringen …

… schaut die Welt nicht anders aus, sie hört sich auch nicht anders an. Dabei regiert dort - lassen wir mal einige Jubelflöten ein feines „Tatütata“ zum Wohle des Ministerpräsidenten an Volkes Ohr schalmeien - ein Linker. Bodo Ramelow, der für seine Haltung in der Flüchtlingsfrage schriftlich drei Mordrohungen bekam, steht unter Polizeischutz. Angefangen hätten die Drohungen mit der Auseinandersetzung um eine mögliche Außenstelle für eine Flüchtlingserstaufnahme in Gera-Liebschwitz. Das aber ist nicht Thema.
Es geht um Kultur, und die Kulturkompetenz der Partei Die Linke äußert sich in meist sehr wenigen Sätzen in Partei- und  Wahlprogrammen. Dort  führt die Kultur ein Mauerblümchendasein. Benjamin Hoff, ein Linker, ist in der Thüringer Landesregierung

für Kultur zuständig. Der ging es schon vor Regierungsantritt der rot-rot-grünen Koalition nicht gut. Von 1.000 Musiker-Stellen waren bei Regierungsantritt von der vorher regierenden CDU/FDP-Regierung schon 400 Arbeitsplätze „abgebaut“. Diese Art der Arbeitsplatzzerstörung hat keinesfalls die Qualität der „Abschiedssinfonie“
von Josef Haydn. Das reicht aber nicht, also hat die Erfurter Staatskanzlei einen neuen Strukturplan für das Theaterland Thüringen vorgelegt. Und der sieht massive Eingriffe bei den einzelnen Häusern in Weimar, Erfurt, Gotha, Eisenach und Altenburg vor. Statt als „Kulturverantwortlicher“ diese und alle jene, die noch in der Lage sind, vor Arbeitsplatzzerstörung und schlechter Entlohnung zu schützen, geschieht das Gegenteil.

Herr Hoff verkündet auf seiner Homepage, die Staatskanzlei führe seit Anfang des Jahres „mit den kommunalen Trägern und Theaterintendanten Gespräche über die von allen Beteiligten gesehene Notwendigkeit von Strukturveränderungen zur Sicherung von Qualität und Angebot“. Die Unterstellung, dass Beteiligte den eigenen Arbeitsplatz jener „Notwendigkeit“ der Zerstörung aussetzen, gleicht jenem Profitmaximierungs-Sprech, der sonst immer nur vom Kapital und seinen Helfershelferinnen und Helfershelfern verwendet wird, wenn durch Personal- und Arbeitsplatzabbau der „Erfolg“ gesteigert wird, der höchstens Bilanzen gut aussehen lässt, während die Kultur auf der Strecke bleibt. 

Was wirklich geplant ist?

Das Deutsche Natio¬naltheater Weimar soll die Opernsparte aufge¬ben, die Landeskapelle Eisenach aufgelöst und die Thüringen-Philharmonie Gotha mit dem Orchester in Erfurt fusioniert und verkleinert werden. Für den Geschäftsführer der Deutschen Orchestervereinigung, Gerald Mertens, sind diese Pläne in¬akzeptabel, und er rechnet bei diesem erneuten Angriff auf Thüringens Kultur mit breitem Widerstand der Betroffe¬nen und all jener, die Kultur auch deswegen für notwendig halten, um der neuen Barbarei Einhalt zu gebieten, die sich in diesem nicht-unserem Lande ausbreitet, Flüchtlingsheime abfackelt und Menschen, die flüchtend ihr Leben retten wollen, als „Dreck“  bezeichnet.

Benjamin Hoff ist als Minister für Thüringens Kultur zuständig, aber nicht nur für diese; seine Ämterhäufung hat wirklich wenig von jener „Kultur“, die er brauchen würde, um diese nicht jenem Erdboden gleichzumachen, auf dem nur wächst, was hohe Einschaltquoten bringt.

Hier also, was Benjamin Hoff beruflich so treibt oder getrieben hat: Seit Dezember 2014 Minister für Kultur, Bundes- und Europaangelegenheiten und Chef der Staatskanzlei des Freistaates Thüringen. Dezember 2013 - Dezember 2014 Geschäftsführender Gesellschafter (CEO) der Mehr-Wert-Consult- Strategieberatung. Seit März 2013 Visiting Practioner Fellow an der School of Law, Politics and Sociology-University of Sussex. November 2012 - Dezember 2013  Rektor der staatlich anerkannten privaten Business-School BEST-Sabel Hochschule Berlin. August 2012 - Oktober 2012 Senior Research Visiting Fellow an der School of Law, Politics and Sociology-University of Sussex (Präsenszeit). Dezember 2011 - November 2012 (danach ruhend) Gesellschafter und Consultant der Mehr-Wert-Consult-Politikberatung und Organisationsentwicklung GbR. Seit Juni 2010 Honorarprofessor an der Alice-Salomon-Hochschule (University of applied science) Berlin. Dezember 2006 - Dezember 2011 Staatssekretär für Gesundheit, Umwelt und Verbraucherschutz im Senat von Berlin. Oktober 2005 - Dezember 2006 Leiter der Bund-Länder-Koordination der Bundestagsfraktion Die Linke. Oktober 1995 - Oktober 2006 Mitglied des Abgeordnetenhauses von Berlin.

Dazu war er noch in folgenden Aufsichts-, Stiftungs- und Verwaltungsräten sowie Kuratorien tätig: Seit Dezember 2014 Mitglied des ZDF-Fernsehrats für die XIV. Amtsperiode; seit Dezember 2014 Vorsitzender des Stiftungsrates der Klassik-Stiftung Weimar; Vorsitzender des Stiftungsrates der Wartburg-Stiftung, Eisenach; Vorsitzender des Stiftungsrates der Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora; Vorsitzender des Stiftungsrates der Kulturstiftung Thüringen; Vorsitzender des Stiftungsrates der Kulturstiftung Meiningen/Eisenach; Januar 2009 - Dezember 2011 Vorsitzender des Verwaltungsrates des Landeslabor Berlin-Brandenburg AöR;  Januar 2009 - Dezember 2011  Mitglied des Verwaltungsrates der Landwirtschaftlichen Rentenbank AöR; Dezember 2006 - Dezember 2011 Vorsitzender des Aufsichtsrates der Berliner Energieagentur GmbH; Oktober 2001 - Oktober 2006  Vorsitzender des Kuratoriums der Landeszentrale für politische Bildung Berlin; zwischen 1995 und 2006 Mitglied der Kuratorien diverser Berliner Hochschulen sowie der Finanz- und Wirtschaftskommissionen der Universitätskliniken der HU-Berlin sowie der FU-Berlin.

Ich selbst bin ja nur Mitglied im Verein „Da wird der Hund in der Pfanne verrückt“  und staune, welch erstaunliche Tätigkeitsvielfalt samt der dazugehörigen Verantwortung ein Mensch bewältigen kann.

Ein Bundesland, regiert von Rot-Rot-Grün, in dem Theater schließen, Orchester verkleinert oder beseitigt werden, zeigt deutlich - hier wird regiert wie überall. Es muss Schluss sein, dass der Politik auf allen Ebenen - Stadt, Gemeinde, Land, Staat - immer und reflexartig einfällt, wenn es mal wieder ums Sparen geht: An der Kultur kann man am besten sparen, das regt die wenigsten Menschen wirklich auf.

Auch Thüringen braucht keine Sparkultur, und diese „Konzentration“ auf Kernbereiche der Kultur muss endlich ein Ende haben. Herr Hoff scheint Leistungen in der Kultur dann gut zu finden, wenn ein Geiger gleichzeitig mit zwei Geigen spielt. Merke: »Mehr Geld für Weniger« ist nicht die Alternative zu »Weniger Geld für alles«.

Wie ist es um eine der reichsten Gesellschaften der Erde bestellt, die Kultur rationalisiert, obwohl es mehr als notwendig wäre, dem „Kulturverständnis“ Randalierender und Brandstifter keinen  Abbau von Kulturinstitutionen zu verkünden, sondern das Gegenteil? Die Statistik der Deutschen Orchestervereinigung sagt aus, dass seit 1992 die Anzahl der öffentlich finanzierten Konzert-, Opern-, Kammer- und Rundfunkorchester in Deutschland von 168  auf 131 gesunken ist.

Weimar!? - Goethe!? - Dichter-und-Denker-Volk!? - Ob er’s kapiert, der B. Hoff?
Die Kultur endet, indem die Barbaren aus ihr ausbrechen.

Dieter Braeg