1„Gemeinwohl-Ökonomie“ – Das Wirtschaftsmodell der Zukunft
von Christian Felber

Kritik von Dieter Braeg
(Text korrigiert und ergänzt am 14.11.2011)

In dieser großen Zeit die mit ihrem Lieblingsbegriff „Krise“  die Welt verändert,  klammert sich Mensch oft an Strohhalme, die eine Rettung nur suggerieren.  Christian Felber der sich publizistisch schon einige Zeit mit dem Thema alternative Wirtschaftsmodelle beschäftigt, hat in seinem neuen Buch, mal wieder,  unter dem Titel „Gemeinwohlökonomie“  das „Wirtschaftsmodell der Zukunft“ beschrieben. Dieses Wirtschaftsmodell soll einen Beitrag zum Gemeinwohl leisten und Felber  sind dabei  zwei Eigenschaften seines Wirtschaftszukunftsmodells wichtig: Kooperation ersetzt die Konkurrenz und Profitmaximierung soll nicht stattfinden, sondern überwunden werden. Das kann Mensch natürlich unterschreiben, da Wege  zur Überwindung des Kapitalismus und seines „Wirtschaftens“  nun sogar schon vom Zentralorgan FAZ nicht ausgeschlossen werden, wäre es eigentlich wichtig, nicht Zukunftsmodelle herbeizuschreiben, sondern endlich handfeste Vorschläge zu entwickeln und diese auch anhand pratisch realer Beispiele zu beschreiben!

Schon zu Beginn des Buches gibt es Probleme. Felber schreibt: „Würde heißt Wert und meint den gleichen, bedingungslosen, unveräußerlichen Wert aller Menschen. Würde bedarf keiner „Leistung“ außer der nackten Existenz.“  Wenige Sätze weiter erklärt Felber allerdings, dass man aus einer würdevollen Begegnung sehr wohl Vorteile erzielen kann, weil ja alle das Beste füreinander wollen. Woher bloß kenne ich dieses „ich will ja nur ihr Bestes“ um dann mit Arbeitsbedingungen und einer Bezahlung konfrontiert zu werden, die den „Vorteil“ bei jenen belässt, die ihn schon immer hatten?
Wer sich mit dem feinen Trick der Gruppenarbeit beschäftigt hat, der kennt all die Schlagworte die einem Team jenen Arbeitsseifer vermitteln soll, der der Gruppe nur geringe Vorteile bringt, während dem Gruppenarbeitserfinder der größte Teil des Erfolges in den Schoß fällt ?

Erfreulich ist ja, wenn Felber verkündet, dass für gleiche Arbeitsleistung gleicher Lohn zu zahlen ist, nur wie wird diese „Arbeitsleistung“ definiert?  Wie hoch ist der Lohn dann wirklich?
Es gibt auch für eine „offene“ Kalkulation Gemeinwohlpunkte, die sich in einer Gemeinwohlbilanz niederschlagen, für die es noch keine Prüferinnen und Prüfer gibt, die Felber wahrscheinlich noch ausbilden wird. „Offen“ kann man auch die größten Gemeinheiten und Umweltverbrechen kalkulatorisch darstellen!
Immer wieder sind Erkenntnisse, die etwa so lauten: “Da Gewinne sowohl nützlich als auch schädlich sein können…“ zwar erfreulich, aber eine sich im Kreis bewegende Gesellschaftsordnung, die Mensch bald nur noch mit dem Begriff „Krise“ konfrontiert wird, bräuchte andere Lösungen.

Die Tatsache, dass Mitarbeitergesellschaften, Genossenschaften, Kooperativen und natürlich auch der Gemeinwohlökonomie verpflichtete Betriebe sich nicht aus dem Marktdruck und der Konkurrenz verabschieden können, kann Felber nicht aus der Welt schaffen. Sie alle müssen Produkte anbieten, die einem ganz bestimmten Marktpreis unterliegen, auch mit einer demokratischen Bank, die von Felber ebenfalls verkündet wird,  bleibt es dabei, dass man Kredite braucht um entsprechende Produktionslinien aufzubauen, die dann mit erwartbaren Gewinnen abbezahlt werden müssen, dass dabei die Beschäftigten auch einen die Existenz sichernden Lohn brauchen, dürfte wie die anderen Faktoren dazu beitragen, dass man sehr rasch wieder zu jenen wirtschaftlichen Abläufen zurückfindet,  die der kapitalistischen Denk- und Handlungsweise entsprechen. Dass Felber Kapitalismus vor allem auf eine Folge menschlicher Fehler (etwa Gier und Konkurrenz) zurückführt und entsprechend definiert, sich nicht mit den realen Tatbeständen der Produktivitätskraftentwicklung auseinandersetzt und mit den Arbeitsverhältnissen  und Arbeitsabläufen in den Betrieben, ist Ausdruck seiner schwachen Analyse, zur Privat-Eigentumsordnung die nach der Bürgerrevolution um 1789 ihren Beginn hatte und sich bis heute fortentwickelte, werden kaum Bezüge erkennbar.


Wie zum Beispiel eine „Gemeinwohlökonomische Logistik“ entstehen soll, die die verheerende Wirkung der „Just inTime Produktionsweise“ überwindet, wird bei Felber überhaupt nicht erwähnt.  Wer eine andere Wirtschaftsweise will, muss zuerst die gesellschaftlichen Bedingungen verändern. Da allerdings entwickelt sich zurzeit eher eine europäische Wirtschaftsdiktatur, die per Krisenangst, eingeführt wird und letzte Reste demokratischer Strukturen zerstört. Felbers Modell ist in keiner Weise geeignet, für die wichtigsten Produkte unserer Gesellschaft Anwendung zu finden – etwa Autos, Flugzeuge, Traktoren, Mähmaschinen, Computer, IPods&Pads Anwendung zu finden.

Attac Österreich, seit einiger Zeit sehr stark domestiziert durch Felbers Theorien, verabschiedet sich immer mehr von einer realen Analyse der jetzigen Gesellschaft und entwickelt immer mehr eine intellektuelle Wirtschaftslösungsschwurbeleiideologie. Die findet auch Ausdruck in der Tatsache, dass man auf der Attac Homepage Österreich jede Veranstaltung zur Gemeinwohlökonomie die Felber anbietet, ausführlich Termin- und Veranstaltungsortinformationen veröffentlicht.

Das Gemeinwohlökonomiebuch hinterlässt nicht nur bei mir sondern bei vielen anderen Kritikern den Eindruck, als ginge es hier um ein weiteres „Reformpflaster“ mit dem man keineswegs die jetzige Gesellschaftsordnung überwinden kann und will. Ein unfassendes ökonomisch-politisches Wollen, wie etwa solidarisches Wirtschaften, ergonomische Arbeitsplatz&Zeitgestaltung, Humanität, wechselnde Führungsstrukturen, qualifizierte Mitbestimmung, Ökologie – um nur einige der wichtigen Eckpunkte zu nennen, sind bei Felber kaum ausführlich behandelt.

So hat man vor wenigen Wochen die 10 Prinzipien Gemeinwohl-Ökonomie verkündet, die man, schön verteilt, inhaltlich auch in Felbers Buch findet,  die sollten von Attac Österreich unterstützt werden. Hier die erste These: „ Attac begrüßt ein Wirtschaftsmodell, dessen oberstes Ziel nicht die Mehrung von Kapital ist, sondern die Mehrung des Gemeinwohls, das gelingende ökologische und soziale Beziehungen und ein gutes Leben für alle einschließt.“
Die wurden zwar zurückgezogen, sie sind aber nun durch eine nicht viel bessere Erklärung ersetzt worden, die auch Felbers Gemeinökonomie als beispielhafte Lösung verkündet.

Ja wer will nicht eine Mehrung  eines guten Lebens?  Wobei man sich fragt wie weit Löhne, soziale Notwendigkeiten und viele andere Dinge des täglichen Lebens für Mensch nur „gut“ sein sollen, wer darf dann „sehr gut“ leben? Kriegt der Arme nur ein „genügendes“ Leben geboten? Immer mehr bestätigt sich der Verdacht, dass Attac Österreich zum „Werbeträger“ der Wirtschaftstheorien von Christian Felber  geworden ist. So soll es nach Felber  kein Streben nach Profitmaximierung geben und Wachstum darf nicht zum Zwang werden. Statt Konkurrenz also Kooperation und Krisen ?
Ja,  die sollen dann wohl  durch eine freiwillige Kooperation der Gemeinwohlökonomiebetriebe verhindert werden. „Der Anreizrahmen für die individuellen Wirtschaftsakteure muss umgepolt werden von Gewinnstreben und Konkurrenz auf Gemeinwohlstreben und Kooperation.“  verkündet Felber auf Seite 24 seines Buches. Wie das nun in der Realität aussehen soll, da gibt es nix zu lesen. Wie man solche Begriffe bewerten soll, wäre mehr als nur eine Diskussion wert.

Felber bedient sich, wie könnte es anders sein, bei Karl Marx und bemüht „Das Sein bestimmt das Bewusstsein“ – das allerdings diese so richtige Erkenntnis zunächst nicht zum ersten Schritt, nämlich zur Frage führt, ob da nicht doch ein anderes Gesellschaftssystem her muss, ist nicht zu erkennen. Ich selbst empfehle da statt Felber schon ehe Peter Barnes und seine aufklärende Erkenntnis (Kapitalismus 3.0: ein Leitfaden zur Wiederaneignung der Gemeinschaftsgüter):“"In der kapitalistischen Demokratie verteilt der Staat eine Menge wertvoller Prämien. Wer die grösste politische Macht anhäuft, gewinnt die wertvollsten von ihnen. Als Vergütungen stehen Eigentumsrechte, wohlgesonnene Behörden, Fördermittel, Steuermittel, sowie die kostenlose und preisgünstige Nutzung der Gemeinschaftsgüter zur Verfügung. Die Vorstellung, der Staat befördere das „Allgemeinwohl” ist naiv."

Felber operiert mit den Begriffen Freundschaft, Beziehungswerten oder gar Zuneigung und vergisst, dass die Demokratie samt Menschenwürde  noch immer am Eingang der Produktionsstätten und Büros endet. Dass die Politik zur Zeit Banken rettet und die Krise im Mittelpunkt steht, nicht der Mensch, lässt einem so unausgegorenen Projekt wenig Chancen!

„Als erster Schritt wird allen Unternehmen ein neues Ziel vorgegeben: das Streben nach allgemeinem Wohl. Mit diesem neuen Ziel müssen wir unternehmerischen Erfolg neu definieren. Ein Unternehmen ist nicht länger erfolgreich, wenn es einen hohen Finanzgewinn erzielt, sondern wenn es einen größtmöglichen Beitrag zum Gemeinwohl leistet“  schreibt Felber auf Seite 24  in seinem Buch. Die Definition was Gemeinwohl nun wirklich ist, das soll ein „Wirtschaftskonvent“ definieren. Wie das aussieht lässt sich aber auch auf der Homepage dieser Bewegung erkennen, die, so wird verkündet (Stand Mitte September 2011),  von 353 Unternehmen, 23 Parlamentarierinnen und Parlamentariern, 50 Organisationen und Vereinen und 632 Privatpersonen unterstützt wird. DA wird Wachstum zur Erfolgsmesslatte.
Gemeinwohl lässt sich, nimmt man es ernst, genau so wenig wie Leistung messen!

Dass der „Asoziale und Rücksichtslose“ es nicht leichter haben sollen bei diesem Wirtschaftsmodell, das ist für Felber eine Selbstverständlichkeit, dass er sich dabei genau jener  Sprache bedient, die den Armen, den Erfolglosen als den größten Schmarotzer dieser Gesellschaft festgeschrieben hat, stört wender ihn noch seine Anhängerinnen und Anhänger. Einer dieser Gemeinwohlunternehmer sprach beim letzten Attac Aktivistentreffen in Salzburg auf von „meiner Firma“ und „meinen Mitarbeitern“ – das ist der wahre Gdemeinwohlökonomiesprech! Felber will uns mit seinem Buch und den anderen Werken samt seinen Vortragsreisen verkaufen, dass die Gemeinwohlökonomie nicht nur Marktwirtschaft sondern auch Kapitalismus sei,  und deshalb  keine Konkurrenz, Profitmaximierung und Wachstumszwang kennen würde.

Felber beschäftigt sich in seinem Buch nicht mit der realen Wirklichkeit in den Betrieben, für ihn sind Arbeitsplatzbeschreibungen, Arbeitsrecht, Arbeitsumwelt und der Grundwiderspruch zwischen Kapital und Arbeit kaum ein Thema. Wie der gemeinwohlökonomische Arbeitsplatz tatsächlich aussieht, wie weit er vom Arbeitsplatzinhaber gestaltet wird und nicht von kleinbürgerlichen Ideologien,  da bleibt zu viel offen. Ob in den über 300 Betrieben (auf der Homepage als Erfolg ausgewiesen)  die sich gemeinwohlökonomisch aufgestellt haben, ein Betriebsrat vorhanden ist, oder eine entsprechende Belegschaftsvertretung, da sagt weder die Statistik etwas aus, noch ist dazu in Felbers Buch etwas zu lesen. Auch über die Entlohnungsformen erfährt man wenig bis gar nichts und wie hoch die Stundenlöhne sind, bleibt ebenfalls ungeklärt.

Es gab mal, es ist länger her, das „Harzburger Modell“ das im Jahre 1962 vom ehemaligen SS Oberführer Reinhard Höhn entwickelt wurde. Da wurde verkauft, dass  der Mitarbeiter die Handlungsverantwortung und der Vorgesetzte die Führungsverantwortung zu übernehmen hat.  Was sonst noch an „Modellen“ in den Betrieben zur Anwendung kam, um dieses „andere wirtschaften“ das keines war und ist zu verkaufen, muss an anderer Stelle diskutiert werden.
Felber bewegt sich mit seinem Modell in recht gefährlichem Fahrwasser!

Felbers Zukunftsmodell will eine vorhandene brutale Gesellschaftsordnung Schönschreiben, da bleibt alles wie es war. Es wird produziert, gekauft, verkauft samt einem Staat, der agiert, wie immer (denn Mehrheiten für jene Kontrollen die Felber vorschweben, wird es nicht geben. Utopien dienen der Unterhaltung, sie verändern die Welt nicht! Wie dieses Modell GEGEN das Kapital durchgesetzt werden soll, bleibt natürlich auch unbeantwortet. 

Die letzten zwei „Prinzipien“ fordern: „ Die repräsentative Demokratie muss durch weitere Dimensionen der Demokratie ergänzt werden, darunter direkte, partizipative und Wirtschaftsdemokratie.“ Dazu noch – „Neue Unterrichtsfächer sollen die Bereiche Gefühle, Werte, Kommunikation, Natur und Demokratie stärker berücksichtigen und das Gelingen von Beziehungen erleichtern.“

Christan Felber sollte nicht vergessen, dass die Gewalt dieser Gesellschaftsordnung noch immer jene Veränderungsprozesse verhindert hat, die ihr gefährlich wurden. Auch eine Gemeinwohlökonomie würde, ab einer bestimmten Größe, mit juristischen und auch militärisch/polizeilichen Maßnahmen rechnen, um sie zu zerstören. Dazu gibt es genügend Beispiele, die vor allem dann zur Anwendung kamen, wenn abhängig Beschäftigte einen Betrieb besetzten, um dort ohne „Besitzer“ zu arbeiten.

Es geht um BESTIMMEN nicht MITbestimmen. Um dies zu erreichen, bedarf es mehr, als der Forderung einer weiteren Dimension von Demokratie! Da reicht es nicht „Beziehungserleichterungen“ in Form von Gemeinwohlökonomie anzubieten.

Diese „Gemeinwohlökonomie“ ist keine Alternative!

„Gemeinwohl-Ökonomie“ – Das Wirtschaftsmodell der Zukunft
von Christian Felber. Deuticke im Zsolnay Verlag Wien 2010. 160 Seiten.
ISBN 978-3-552-06137-8.  15,90 €